„Hallo Herr Weber, hallo Herr Paul. Diese Festschrift trägt den Titel ‚Erinnerungen an morgen – Wie wir seit 150 Jahren an Ihre Zukunft denken.’ Was darf man sich darunter vorstellen?“
Josef Paul: „‚Wenn wir eine bessere Zukunft wollen, dann müssen wir sie selbst in die Hand nehmen’ – aus diesem Gedanken heraus wurde vor 150 Jahren die Rüsselsheimer Volksbank gegründet. Und diesen Gründungsgedanken hat sie nie verloren. Während all der Jahre war es immer unser Bestreben, den Menschen, Mitgliedern und der Region eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Dabei musste die Rüsselsheimer Volksbank immer wieder mutige Entscheidungen treffen und ihren Weitblick beweisen. Wie man heute sieht, hat sie das mit Erfolg getan. An eben diese Momente der Rüsselsheimer Volksbank, in denen wir aktiv die Zukunft mitgestaltet haben, wollen wir in dieser Festschrift erinnern. Deshalb sind dies ‚unsere Erinnerungen an morgen’“.
„Sie sprachen gerade vom Gründungsgedanken der Rüsselsheimer Volksbank. Nun ist seit dem Gründungsjahr 1863 viel passiert. Wie viel vom Gründergeist des damaligen ‚Spar- und Vorschussvereins’ steckt denn noch in Ihnen?“
Klaus Weber: „Dieser Gründergeist besteht heutzutage meines Erachtens darin, dass man die genossenschaftlichen Prinzipien der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstverwaltung in der Zeit, in der man selbst lebt, in die Tat umsetzt. Form und Ausgestaltung dieser Prinzipien haben sich zeitbedingt etwas verändert, der Inhalt jedoch ist derselbe geblieben – und den leben die Volksbank und ich sehr bewusst.“
„Aber sind diese genossenschaftlichen Prinzipien denn noch zeitgemäß? Hat ein System Zukunft, das vor mehr als 150 Jahren erdacht wurde?“
Klaus Weber: „Es hat nicht nur Zukunft, sondern sollte sogar Beispiel für richtiges und nachhaltiges Wirtschaften sein. Denken Sie nur an die Finanzmarktkrise und auch an die europäische Staatsschuldenkrise. Beide Krisen sind dadurch entstanden, dass man sich unter anderem darauf verlassen hat, dass andere einen herauspauken. Das gilt für einige große Banken wie für Staaten. Man hat also flächendeckend das Prinzip der Selbstverantwortung und Haftung außer Kraft gesetzt. Und die Situation könnte sich durchaus verschärfen, wenn man weiter nur alternativlose Solidarität übt und sich nicht bald wieder auf die Prinzipien der Selbsthilfe und der Selbstverantwortung besinnt.“
„Sie sprachen gerade über das Bankwesen und die Zukunft, daher eine kritische Frage: Wenn man die aktuelle Situation betrachtet, könnte man meinen, dass die Zukunft den Onlinebanken gehört. Wie stehen Sie dieser Entwicklung gegenüber?“
Josef Paul: „Bei uns steht der Mensch und nicht die Technik im Vordergrund. Das unterscheidet uns von den Onlinebanken und wird auch in Zukunft der Grund sein, warum sich Menschen für die Rüsselsheimer Volksbank und gegen eine Onlinebank entscheiden. Die Rüsselsheimer Volksbank ist seit jeher eng mit der Region, ihren Mitgliedern, dem regionalen mittelständigen Gewerbe und der Stadt verbunden. Unser Prinzip ist die persönliche Betreuung unserer Mitglieder und Kunden durch unsere langjährigen Mitarbeiter. Wir erarbeiten mit unseren Kunden individuelle und flexible Lösungen, maßgeschneidert nach den Kundenwünschen – versuchen Sie das mal mit einer Onlinebank. Letztendlich entscheiden die Menschen und nicht die Technik über den Abschluss von Geschäften und darüber sind wir heilfroh.“
„Welche Hoffnungen haben Sie für die Region Rüsselsheim?“
Klaus Weber: „Rüsselsheim ist in einer schwierigen strukturellen und finanziellen Situation. Es steht mir nicht zu, den Verantwortlichen im Rathaus Ratschläge zu geben, aber es gibt in der Strategielehre einen Grundsatz: „Seine Stärken auszubauen ist viel einfacher und erfolgreicher, als seine Schwächen abzubauen. Genau das hat in den letzten Jahren zum Beispiel unsere Nachbarstadt Raunheim getan. Der Erfolg kann sich sehen lassen. Insofern gebe ich die Hoffnung noch lange nicht auf.
– Klaus Weber
– Josef Paul
„Wie wichtig sind Ihnen Ihre Mitglieder?“
Josef Paul: „Die Mitglieder der Rüsselsheimer Volksbank sind die Eigentümer der Bank und somit unsere Arbeitgeber. Wir sind seit 150 Jahren Dienstleister und haben als Genossenschaftsbank durch die Mitgliedschaft ein Alleinstellungsmerkmal. Wir sind die erste Bank in Hessen, die das Mitgliederbonussystem eingeführt hat. Hier werden die Belange der Mitglieder nach dem Grundprinzip des Genossenschaftsgesetzes – sprich Förderung durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb – nachhaltig erlebbar gestaltet. Aktuell haben wir rund 16.700 Mitglieder – Tendenz weiter steigend. Um es kurz zu fassen: Unsere Mitglieder sind uns das Wichtigste.“
„Und welchen Weg möchte die Rüsselsheimer Volksbank in Zukunft gehen?“
Josef Paul: „Wir möchten für unsere Mitglieder und Kunden gerne die Nummer eins bei allen Angelegenheiten rund ums Geld sein. Wir sind eine kerngesunde mittelständische Regionalbank, die langfristige und nachhaltige Kundenverbindungen festigt und weiter ausbaut. Um diese Ziele zu erreichen, setzen wir kontinuierlich auf einen gut ausgebildeten Nachwuchs und bieten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen sicheren und zukunftsorientierten Arbeitsplatz.“
„Nun haben wir viel darüber gesprochen, was die Rüsselsheimer Volksbank für ihre Mitglieder, Mitarbeiter und die Region tut. Was könnte man für die Rüsselsheimer Volksbank tun?“
Klaus Weber: „Ich habe bereits erwähnt, dass in den letzten Jahren das Prinzip der Selbstverantwortung und Haftung weitgehend außer Kraft gesetzt wurde. Das heißt, eine Bank muss nur groß genug sein, um als ‚systemrelevant’ zu gelten und bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten vom Staat gerettet zu werden. Und statt nun dafür zu sorgen, dass Banken künftig klein genug sind, um ohne übermäßigen Schaden für die Allgemeinheit die Verantwortung für ihre Fehler selbst übernehmen zu können und gegebenenfalls auch Insolvenz anmelden zu können, setzt man staatlicherseits auf eine übermäßige Regulierung der Banken.
Also, der Zug fährt in Richtung Regulierung, statt in Richtung Eigenverantwortung. Das ist für mich der falsche Weg, aber wenn man ihn schon nicht verhindern kann, dann dürfen auf keinen Fall alle Banken über einen Leisten gemessen werden. Die Rüsselsheimer Volksbank darf nicht dieselben bürokratischen Regulierungsauflagen bekommen wie z. B. die Deutsche Bank. Hier ist eine deutliche Differenzierung angesagt, ansonsten werden mittelständische Genossenschaftsbanken mit Bürokratie erstickt. Hier brauchen wir dringend die Hilfe und Unterstützung unserer Kunden und Mitglieder, um eine Meinungsbildung in der Politik zu unseren Gunsten zu erreichen.“
„Und welchen Weg möchte die Rüsselsheimer Volksbank in Zukunft gehen?“
Josef Paul: „Wir möchten für unsere Mitglieder und Kunden gerne die Nummer eins bei allen Angelegenheiten rund ums Geld sein. Wir sind eine kerngesunde mittelständische Regionalbank, die langfristige und nachhaltige Kundenverbindungen festigt und weiter ausbaut. Um diese Ziele zu erreichen, setzen wir kontinuierlich auf einen gut ausgebildeten Nachwuchs und bieten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen sicheren und zukunftsorientierten Arbeitsplatz.“
„Vielen Dank für diese offene Antwort. Unser Interview neigt sich dem Ende zu, eine letzte Frage noch: Herr Weber, Herr Paul – wofür sind Sie dankbar?“
Josef Paul: „Ich bin vor allem dankbar für eine sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Klaus Weber. Wir gehen sehr offen miteinander um, diskutieren ab und zu durchaus auch kontrovers, aber unsere Partnerschaft hat sich über viele Jahre als sehr belastbar erwiesen und ist ein Glücksfall für uns beide.“
Klaus Weber: „Dem kann ich mich nur anschließen. Unsere Zusammenarbeit ist sehr fruchtbar für die Rüsselsheimer Volksbank.“
Josef Paul: „Weiterhin sind wir beide sehr dankbar für einen Aufsichtsrat, der uns bei aller gebotenen Distanz bei unserer Arbeit sehr viel gestalterischen Freiraum lässt und uns großes Vertrauen entgegenbringt.“
Klaus Weber: „Und wir sind sehr dankbar für tolle und engagierte Mitarbeiter, die der eigentliche Garant für den Erfolg unserer Bank sind.“
„Herr Weber, Herr Paul, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die nächsten 150 Jahre.“