Als die Rüsselsheimer Volksbank 1938 auf ihr 75-jähriges Bestehen zurückblickte, verfügt sie in der Bahnhofstraße – dem Sitz der heutigen Hauptgeschäftsstelle – über ein größeres Gebäude. Die neuen Räume, in verkehrsgünstiger Lage des Stadtkerns gelegen, entsprachen dem sich weiter ausdehnenden Bankbetrieb und boten auch Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft. Der Umzug von der Mainstraße, wo man seit 1914 residierte, erfolgt im Jahre 1937.
Fünfzehn Jahre waren seit der Inflation vergangen. Den Jahren der neuen Reichsmarkwährung folgte zunächst eine Blütezeit. Die Spareinlagen der Rüsselsheimer Volksbank wuchsen bis 1929 auf 337.000 RM an. Um das Eigenkapital zu stärken, wurde 1928 der Stammanteil auf 200 RM und die Haftsumme auf 500 RM festgesetzt; jedes Mitglied konnte jetzt bis zu zehn Anteile erwerben. Ein Jahr später erfolgte eine weitere Erhöhung der Anteile auf 300 RM. 1933 schien das Schicksal der Genossenschaftsbanken vorübergehend ungewiss zu sein, denn in der Festschrift der Bank von 1938 zum 75-jährigen Bestehen hieß es: „Durch die im Jahre 1934 auf Veranlassung der Reichsregierung vorgenommene Erhebung im Bankgewerbe (Banken-Enquete) wurde trotz aller Anfeindungen die Notwendigkeit der Deutschen Genossenschaftsbanken festgestellt.“
Der im 75. Jubiläumsjahr vorgelegte Geschäftsbericht nannte für 1937 im Vergleich zum vorausgegangenen Jahr eine überdurchschnittliche Zunahme der Spargelder um 25 Prozent auf 850.875 RM. Gegenüber dem Jahr 1934 bedeutete dies sogar eine Steigerung um 100 Prozent, was insbesondere auf die Gewinnung neuer Geschäftsfreunde zurückzuführen war. Insgesamt waren im Berichtsjahr 366.000 RM Darlehen, Hypotheken und Kredite bewilligt worden. Die Zahl der Mitglieder hatte sich auf 344 erhöht. In einem Zeitraum von zehn Jahren hat sich die Bilanzsumme der Rüsselsheimer Volksbank von 472.220 RM in 1927 auf rund 1,25 Millionen RM in 1937 erhöht.
Der Gebäudeschaden in Rüsselsheim wird offiziell mit 45 Prozent ermittelt, 1948
Im August 1947 kehrte man in das notdürftig hergerichtete Haus in der Bahnhofstraße zurück. Der Vorstand war bei Kriegsende und über den Zusammenbruch hinaus zunächst nur mit ehrenamtlichen Mitgliedern besetzt. Heinrich Riedinger, bereits 1928 gewählt, amtierte bis 3. Juli 1944, Ludwig Kröcker vom 3. Juli 1944 bis 23. Mai 1946 und Max Cramer vom 22. Mai 1946 bis 17. September 1947. Mit Cramer traten zugleich zwei hauptamtliche Direktoren an: Heinrich Wilhelm Hummel und der gelernte Bankkaufmann Georg Menges, der 1937 die Lehre begann.
Die Generalversammlung am 14. Dezember 1947 wählte folgenden Aufsichtsrat: Opel-Händler Karl Jacob als Vorsitzenden, Stadtbaumeister Jean Pfeifer als stellvertretenden Vorsitzenden, Kaufmann Max Cramer, Schmiedemeister Karl Gerbig, Landwirt Philipp Jung IX., Dachdeckermeister Johann Neuhäußer und Bauunternehmer Ludwig Reiber. 1947 kehrte Heinrich Schmuck zurück und wurde neben Heinrich Wilhelm Hummel und Georg Menges als Direktor verpflichtet. Als auch Christian Schmitt am 26. Oktober 1948 wieder an seinen Vorstandsschreibtisch zurückkehrte, schied Heinrich Wilhelm Hummel aus. Bei der Währungsreform am 20. Juni 1948 startete die Volksbank mit einem minimalen Kassenbestand in die neue Zeit. Die DM-Eröffnungsbilanz nannte als Landeszentralbankguthaben 50.173,28 DM, die der Bank als Erstausstattung leihweise zur Verfügung gestellt wurde. Verloren waren die Guthaben auf den Bankkonten und auf dem Postscheckkonto in Höhe von 6.321.888,94 RM. Die Bilanzsumme dieser ersten DM-Bilanz, die den Zeitraum vom 21. Juni bis 31. Dezember 1948 umfasst, betrug 615.253,71 DM. Die Spareinlagen schmolzen von 6.611.390,75 RM auf 511.818,46 DM; und von den Geschäftsguthaben der 479 Mitglieder waren nur noch ganze 17.336,36 DM übrig geblieben.
Seit 1952 stieg bei der Rüsselsheimer Volksbank die Zahl der Mitglieder von 983 (1952) auf 3.556 (1963). Die Rüsselsheimer Volksbank sah es zunächst als eine Aufgabe an, die Bautätigkeit zu beleben und in Verbindung mit der Stadtverwaltung zur Beseitigung der Kriegsschäden und der Wohnungsnot beizutragen. Durch Stärkung des Eigenkapitals und Gewährung von Zwischenkrediten auf abgeschlossene Bausparverträge konnten schon 1950 und 1951 Gelder in beachtlichem Umfang für den Wiederaufbau, für größere Instandsetzungen und für den Neubau zur Verfügung gestellt werden. Im Jubiläumsjahr 1963 stellte der Vorstand mit berechtigtem Stolz fest, dass die Verwaltung der Bank seit dem Jahre 1948 rund 8.000 Kredite in Höhe von rund 70 Millionen DM bewilligt hat. Mit Hilfe der bereitgestellten Hypothekengelder von mehr als 20 Millionen DM und von Bausparverträgen über mehr als 10 Millionen DM konnten Wohn- und Geschäftshäuser erbaut werden, die etwa der Größe des Stadtteils Haßloch-Nord entsprachen. Anders ausgedrückt: Diese Gelder ermöglichten den Bau von etwa 3.400 Wohnungen für 10.000 Einwohner.